Ein Koffer voller Erinnerungen
GAILDORF: Die Oberstufentheater-AG des Gaildorfer Gymnasiums begeisterte die Zuschauer am vergangenen Wochenende mit einem Stück völlig unterschiedlicher Lebensgeschichten.
Zufrieden blickt Thomas Höll ins begeistert applaudierende Publikum. Mit ihm auf der Bühne stehen alle Darsteller und Helfer – von der Maske bis zur Technik. „Ich bedanke mich für diesen ganz tollen Abend, den ich erleben durfte“, sagt er. Seit mehr als 15 Jahren leitet der Lehrer nun als Regisseur die Geschicke der Oberstufentheater-AG des Schenk-von-Limpurg-Gymnasiums in Gaildorf. Auch in diesem Jahr ist es der Theater-AG gelungen, das vollbesetzte Atrium der Schule mit dem von Höll geschriebenen Stück „Der Koffer meiner Großmutter“ am vergangenen Wochenende bei den drei Auftritten ausgefallen zu unterhalten.
Aus dem wahren Leben
Auf die Idee zum diesjährigen Stück brachte ihn seine Schwester. Bereits als Kind interessierte sich Thomas Höll für einen alten Koffer, der bei der Familie verborgen auf dem Dachboden stand. Fünfzig Jahre später überreichte sie ihm den Koffer mit den Worten: „Den wolltest du doch schon immer haben. Da kannst du doch sicher beim Theater etwas daraus machen.“ Die Idee war geboren. „Im Koffer sind viele Gegenstände, die einen an etwas Vergangenes erinnern“, erzählt er und nennt damit die Rahmenhandlung des Stückes.
An einem gewöhnlichen Abend in einem Altenheim stoßen die Putzfrauen auf einen alten Koffer, der mit Hilfe einer Konstruktion zuvor auf die Bühne geschwebt war. Die Altenheimbewohner finden darin viele interessante Gegenstände, die sie an prägende Geschichten ihres Lebens erinnern. So erzählen sie sich gegenseitig in Rückblenden ihre emotionalen Lebensgeschichten und lassen die anderen an diesen teilhaben. Während die Putzfrauen durch High-Heels aus dem Koffer von Anerkennung und Dominanz über die Männerwelt träumen, erinnert ein Liebesbrief den Zyniker Angelo an eine traurige Liebesgeschichte. Angelo verliert seine große Liebe Carmen an den wortkargen und tollpatschigen Enrico, für den er allem Übel zum Trotz auch noch die Liebesbriefe an Carmen schreibt. Erst im Altenheim finden beide in einer rührenden Szene doch noch zusammen.
Angelo ist aber nicht der einzige, der seine Geschichte mit den anderen teilt: Pflegerin Samira erzählt von ihrer gefährlichen Flucht aus „Absurdistan“ nach Europa, und Gudrun offenbart, ihre Kindheit verloren zu haben und gar nicht Gudrun zu heißen. Im großen Finale sind sich alle Bewohner darin einig, dass die Erinnerungen im Koffer etwas Positives sind. Am Ende steht die Erkenntnis aus dem Roman „Agnes“: Glück malt man mit Punkten. Prägend sind im Stück ausdrucksstarke Tanz- und Gesangseinlagen der Choreographin Susi Erhardt zu den Rocksongs und Balladen der speziell für dieses Theaterstück ins Leben gerufenen Band „Kirgelgschroi“ um Referendar Daniel Riek. Beeindruckende Licht- und Schatteneffekte bleiben den Zuschauern ebenso in Erinnerung wie humorvolle Einlagen.
Durch den Abgang vieler Abiturienten musste die Theater-AG in diesem Jahr einen größeren Umbruch bewältigen. Erste Ideen zum Stück probten die Schüler bereits im Frühjahr; die heiße Phase, in der nach und nach alle Szenen mit dem endgültigen Text hinzukamen, begann nach den Sommerferien. Wichtig für die Gruppe seien auch die gemeinsamen Proben-Tage vor zwei Wochen in Tübingen gewesen, wo die Gruppe in drei gemeinsamen Tagen zusammenwachsen konnte. „So ein Umbruch ist eigentlich immer schwierig, aber wir haben wieder tolle Leute dabei“, lobt Höll seine Schauspieler und spricht von einem gelungenen Auftritt: „Alles hat voll funktioniert. Vor Publikum ist das Spielen natürlich nochmal anders als in den Proben.“
Sein Dank und Lob galt neben den Schauspielern den Technikern und Musikern, allen weiteren Helfern sowie dem Freundeskreis der Schule. Verfolgt hat er das Stück wie in jedem Jahr von seinem Stammplatz an der Seite des Atriums aus und verzichtete dabei auf eine Souffleuse. „Insgesamt ist alles sehr gut gelaufen. Wenn etwas nicht läuft, überspielt man es“, erklärt Enrico-Darsteller Magnus Wörz aus der 12. Klasse das Prinzip. Außerdem fügt der Schauspieler, der neben der Rolle des Enrico noch weitere Rollen bekleidete, lachend an: „Was man in der Generalprobe falsch macht, macht man bei der Premiere richtig.“
Auch im kommenden Jahr wird es an der Schule ein Theaterstück der Oberstufentheater-AG geben, bestätigt der Regisseur. Man darf gespannt sein, was die Schüler 2018 auf die Bühne bringen werden. Bislang gibt es noch keine konkreten Ideen zum Stück, die ersten Gedanken werden wahrscheinlich nach Weihnachten entstehen. Vielleicht kommt die Schwester dazu ja mal wieder vorbei.
Luca Stettner (Text und Fotos), Gaildorfer Rundschau, 28. November 2017.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Gaildorfer Rundschau